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Wenn die Rast- und Ruhelosigkeit des Arbeitslebens vorbei ist - und "Ruhe" in Form des Ruhestandes einkehrt - ist Gelegenheit über zurückliegende Zeiten und Entscheidungen nachzudenken.
Vieles sieht im Rückblick anders aus als in der Phase als es passierte. Das sind die Momente in denen bohrend der Gedanke nach vorne drängt "War es damals so richtig entschieden?". In denen sich dieser Gedanke festsetzt, manchmal tagelang kreist und schließlich aufs Neue als "erledigt" abgehakt wird.
Als ich jünger war habe ich viel schneller und leichter entschieden als heute, so, wie es wohl die meisten jüngeren Leute tun. Im Rückblick allerdings scheint es mir wichtig festzuhalten:
Mehr Überlegung und sorgfältigeres Abwägen, weniger Ungeduld Dinge zu 'erledigen' wären oft angebracht gewesen - im Großen und Ganzen war es dennoch gut so wie es war.
Sie können es eh nicht ändern. Man kann nur versuchen, aus der Vergangenheit für die Gegenwart und Zukunft zu lernen. Aber selbst das fällt den meisten schwer. Mein Ruhestand ist noch lange hin und wenn ich mal kurz zurückblicke, dann sehe ich schon, dass soweit alles passt. Sicherlich habe ich auch Dinge gemacht, wo ich mit dem Wissen von heute sagen muss, dass ich das eine oder andere hätte anders machen können. Allerdings wäre dann wahrscheinlich mein ganzes Leben anders verlaufen und da ich mit meinem Leben heute im Großen und Ganzen zufrieden bin, ist die Diskussion über das Für und Wider doch sehr akademisch.
Sie schreiben " .. Man kann nur versuchen, aus der Vergangenheit für die Gegenwart und Zukunft zu lernen .. " - das war der Grund für meine Überlegungen, denn ich erlebe es immer wieder, dass junge Leute nicht an die Zukunft denken. Kein Wunder, das ist für sie noch weit weg - kommt aber schneller als man glaubt!
Selbstredend ist ein solcher Blick zurück 'akademisch', wenn dadurch das Gehirn 'trainiert' wird hat es trotzdem einen Nutzen ....
Ich frage mich, was Sie unter "an die Zukunft denken" meinen. Welche Maßnahmen können junge Menschen konkret ergreifen, um für eine unbekannte Zukunft gewappnet zu sein? Oder anders ausgedrückt: was würden Sie jemanden raten, der 15 oder 18 Jahre alt ist?
Nun, eine kleine Auswahl:
1. Wie wollen Sie denn aus der Schule mit ihrer ganz anderen Gedankenwelt heraus erkennen, ob ein Beruf Zufriedenheit bringen könnte oder nicht? Beispiel: ich habe Bankkaufmann gelernt. Das hatte bei mir in den 90er Jahren weniger mit Prestige als mit Sicherheit zu tun und weil ich sonst keine Ideen hatte, was ich machen könnte. Erst in meiner Lehrzeit habe ich gemerkt, dass Bankkaufmann nicht das ist, was ich mir vorstelle. Aus der Schule heraus hätte ich niemals herausfinden können, ob mir der Beruf Bankkaufmann Zufriedenheit bringen kann oder nicht. Das ist übrigens ein Problem, was ich mit dem viel gelobten Ausbildungssystem in Deutschland verknüpft sehe: man kann in eine ganze Reihe von Jobs nicht als Quereinsteiger reingehen. Wem z.B. in Deutschland mit 38 Jahren einfällt, dass er gerne Bäcker werden würde, der kann das vergessen, weil er dafür erstmal eine mehrjährige Lehre machen müsste (Meisterzwang). Wer kann das, wenn er gleichzeitig noch eine Familie zu ernähren hat?
2. Eine Frage, die mich interessiert: wo lagert man das Gold? Im Schließfach, das ja auch Geld kostet?
3. Zustimmung. Damit habe ich eigentlich zu lange gewartet und ich werde diese Erfahrung an meine Kinder weitergeben.
zu 1.
Dem könnte begegnet werden indem man die größtmögliche 'Breite' wählt und verschiedene Berufsfelder per Praktikum* ausprobiert - ich habe z.B. während des Studiums, nach dem Vordiplom, eineinhalb Jahre in einem Gymnasium gearbeitet und wußte danach, dass "Schule" für mich kein zufriedenstellendes Arbeitsfeld sein würde - also habe ich den (Biologie) Diplomstudiengang weitergeführt und da abgeschlossen. Um flexibel zu sein habe ich später noch Management / Marketing angehängt.
Die Sache mit "Bäcker" wäre zu machen, es müßte nur für Menschen mit Vorerfahrung anders gestaltet werden, das ist eine Frage des Landes, denn andernorts geht es. Ich wäre allerdings Mitte vierzig eher auf "Tischler" umgestiegen, der Geruch und das haptische Erleben haben mich gereizt.
2.
Dazu will ich hier nicht ausführlich Stellung nehmen ;c).
Nur soviel: Kleine Barren passen in die Hosentasche ....
PS: Auf keinen Fall Schmuck, der ist hoffnungslos überteuert.
3. Eins aus drei richtig, einmal halbrichtig - das ist doch für den Anfang nicht schlecht.
- - - - -
* 'ausprobierte' Felder: Verkaufsfahrer, Propagandist, Übersetzer, Reisebüroagent, Heizungsbauer, Makler-Assistent, Druckerei, Event-Management ....
1. Ihr Weg setzt ein Studium voraus, bei dem man "nebenbei" Dinge ausprobiert. Es studiert aber nicht jeder. Und z.B. Realschüler haben ja noch weniger Zeit, bis der "Ernst des Lebens" beginnt. Lange Experimentierphasen gehen da nicht. Ich will Ihre Antwort nicht schlecht reden, ich versuche nur eine breitere Antwort zu finden, die nicht nur für eine spezielle Gruppe von Menschen passt. Und von der "Generation Praktikum", die sich von einem unentgeltlichen Praktikum zum nächsten hangelt, hat man auch schon genügend unschöne Geschichten gelesen.
2. Nun, auf die Antwort mit der Bettdecke, der dunklen Ecke im Kleiderschrank oder dem Loch im Garten bin ich auch schon gekommen. Okay, Sicherheit gibt es nur gegen Entgelt, also muss man sich ausrechnen, ob sich ein Schließfach lohnt. Ansonsten muss man einfach darauf vertrauen, dass zu Hause nicht eingebrochen wird. Hmm.
1.
Wenn wir tatsächlich eine Durchgängigkeit des Bildungssystems hätten gäbe es weniger Probleme das zu finden, was Freude & genügend Einkommen zugleich bringen könnte.
Ich bin den U.S.A. gegenüber bestimmt kritisch eingestellt, aber dort kann man neben einem 'normalen' Job peu-à-peu "credits" sammeln - und das wird dort, anders als hier (!), von den Arbeitgebern honoriert. Wechsel(-bereitschaft) ist dort ein Plus - hierzulande bedauerlicherweise immer noch ein Minus.
Ich habe hier keinen Anspruch auf Vollständigkeit der Vorschläge. Was ich antwortete bezog sich auf meinen Kenntnisstand, der selbstredend begrenzt ist.
2.
Da müssen wir den Lesenden noch dazu sagen:
Schließen Sie eine Versicherung für das Schließfach ab, denn entgegen landläufiger Meinung ist das im Preis des Faches nicht 'automatisch' eingeschlossen. Wenn das Geldinsitut ausgeraubt werden sollte und der Mieter keien Versicherung abgeschlossen hat bleibt er auf seinem Schaden sitzen.
Ich bin auch nicht sicher, ob das Bildungssystem das Problem komplett lösen kann. Denn es begleitet den jungen Menschen nur bis zu einem gewissen Alter und dann ist Schluß. Der Mensch kann sich aber in späteren Jahren noch ändern und das sieht unsere Gesellschaft hier in Deutschland nicht vor. Zumindest, wenn man als Angestellter sein Brot verdient, war bis vor einigen Jahren der rote Faden im Lebenslauf ein wichtiges Kriterium für Personalabteilungen.
Das voruniversitäre Bildungssystem muß in synchroner Aktion mit z.B. dem beruflichen Dualen System und dem Hochschulwesen eine Durchlässigkeit gewährleisten - das erfordert ein Umdenken und die Zerschlagung von Kammern [Handwerkskammer, Industrie- und Handelskammer], die solche Änderungen verhindern da sie um ihre Pfründe fürchten ....
Deswegen stimme ich Ihnen zu:
Es bedarf größerer Anstrengungen und zwar in der Gesellschaft allgemein wie auch in betrieblicher Personalpolitik. Dort wird immer noch zuviel auf "Papiere" Wert gelegt, anstatt auf 'passende' Persönlichkeiten.
Und da diese Gruppen eine Lobby in der Politik haben, wird sich vermutlich wenig bewegen. Oder zumindest werden sie versuchen, Änderungen zu verhindern.
Jemand, mit dem ich mich mal vor vielen Jahren zum Thema "Auswanderung nach Kanada" getroffen hatte, erzählte mir eine nette Geschichte aus seinem Bekanntenkreis in Kanada. Da hatte sich jemand in seiner Firma eine Auszeit von einem Jahr genommen und hatte in dieser Zeit Rafting-Touren begleitet. Als er nach dem Jahr wieder in die Firma zurückkehrte, wurde er zum Teamleiter befördert. Warum? Weil er in seiner Auszeit das Führen von Touristengruppen in teilweise herausfordernden Situationen (eben beim Rafting) gelernt hatte. Das hat man anerkannt. Ich weiß nicht, ob Personalabteilungen in Deutschland so ticken würden.
Übrigens, wenn ich manchmal vielleicht blöd nachbohre: meine Tochter ist 10 Jahre alt und - die Zeit vergeht wie im Fluge - ich werde selber bald vor der Situation stehen, ihr Tipps für das Leben geben zu dürfen.
Machen Sie sich keine Sorgen, es ist besser sich einmal mehr zu vergewissern als einmal zu wenig. Schriftliche Kommunikation ist immer etwas aufwendiger als gesprochene ....
Wenn ich nicht immer gleich oder umfassend oder - manchmal - garnicht antworte heißt das Zustimmung bzw. 'kein weiterer Ergänzungsbedarf, alles Wichtige gesagt' ....
Was ihre Tochter angeht vielleicht als Rat von einem zweifachen Vater:
Kinder lernen mehr aus dem elterlichen Beispiel als aus verbalen Hinweisen.
Nachdem ich ja inzwischen auch alterstechnisch zu den "über L"-Größen gehöre, habe ich mir schon manches Mal überlegt, ob ich mich in der Vergangenheit richtig entschieden habe. Sowohl von der schulischen/beruflichen Seite als auch von der Beziehungsseite. Sicherlich wäre vieles anders gelaufen, hätte ich damals den Ausbildungsplatz als Industriekaufmann beim Autohändler angenommen. Ein Autohändler, den es seit ein paar Jahren nicht mehr gibt. Oder hätte ich nicht nach 4 Jahren im Ausbildungsberuf ein Studium angefangen.
Indes habe ich hier am aktuellen Aufenthaltsort von einem Kollegen gelernt, dass jede Entscheidung, die ich traf, zu exakt jenem Zeitpunkt die richtige war. Denn auch als schriftlich bestätigter "risikoaverser" Mensch birgt nichts zu tun ebenfalls ein Risiko.
Ich denke ja, das Leben funktioniert wie ein Schneeballsystem: man sucht sich willkürlich (oder nach genauer Überlegung, aber da man die genauen Folgen nicht abschätzen kann, ist dies ebenso willkürlich) einen Weg aus, der Rest, der folgt, basiert auf dieser Entscheidung. Wenn man sich nun im Alter hinstellt und seinen bisherigen Lebensweg Revue passieren lässt, erkennt man nur direkte Abhängigkeiten seiner Wahl, schon drei Entscheidungen weiter, die man hätte machen können, verschwindet alles im Dunst.
Wäre ich beispielsweise in meinem erlernten Ausbildungsberuf weiterhin geblieben, was wäre dann wohl passiert? Nun, ich könnte mir vorstellen, dass ich dann in einer Auffanggesellschaft gelandet wäre, da die Firma inzwischen ziemlich Personal abgebaut hat. Vielleicht wäre ich im Vertrieb gelandet, vielleicht als Paketeschubser bei DHL, wer weiß?
Oder privat: hätte ich nicht eine Beziehung beendet, um eine andere einzugehen, lebte ich nun wohl immer noch kinderlos und gelangweilt neben einer Frau her, die die Wohnung mit Häkeldeckchen dekoriert.
Ob man in der Jugend sich nun schnell oder langsam für eine Richtung entscheidet, ist letztlich belanglos: vor einem lag damals das große Unbekannte, inklusive Risiko, in Form einer Katze mit dem Namenshalsband "Schrödinger". Und daraus galt es (und gilt immer noch) das Beste zu machen.
@ Doktor Pé
Sie als Einzelhandelskaufmann? Schwer vorstellbar.
" .. on einem Kollegen gelernt, dass jede Entscheidung, die ich traf, zu exakt jenem Zeitpunkt die richtige war .. " - diese Meinung teile ich auch, denn im Rückblick sind die jeweiligen Alternativen immer nur bis in die nächste Stufe zu verfolgen - man weiß ja nicht, was sich bei einer anderen Entscheidung auf der nächsten und weiteren Ebenen ergeben hätte ....
Bei Beziehungen ist das nochmal eine andere Grundlage:
Wer von uns war mit 30 so erfahren wie mit 40 oder gar 50? Vor diesem Hintergrund ist doch schon deutlich, dass man sich selbst verändert hat und manchmal passt eben der jeweils früher gewählte Partner nicht mehr dazu. Es sei denn, sie/er hat eine ähnliche Fortentwicklung durchgemacht wie man selbst, und dann noch kongruent.
Ich vergleiche das Leben gerne mit einem Pachinko Automaten. Die Kugel (das Leben) fällt oben rein und kommt am Ende irgendwo unten an. Und bis dahin gibt es diverse Links- oder Rechtsentscheidungen.
@ Doctor Snuggles
Das so ein "Zufallsgenerator alter Art", also analog, wie "Stoßpudel", sowas gefällt mir. Die Frage ob es sich zum Vergleich eignet sehe ich allerdings anders, denn was hier rein zufällig passiert geschieht doch im Leben durch Abwägung verschiedener Alternativen und bewußte Entscheidung für eine davon.
Trotzdem "Danke!" für den Hinweis auf den Pachinko Automaten. Den kannte ich noch nicht.
So etwas ähnliches wird zur Sichtbarmachung des Zufalls in der Biologie verwendet, mit zwei Farben Kugeln - leider habe ich das Bild nicht als Link, aber vielleicht demnächst, ich muß 'mal suchen .... [LINK 1; LINK 2.]
@ WVS: bei vielen Menschen bin ich erstens nicht sicher, ob sie sich bewußt entscheiden. Und zweitens können auch bewußte Entscheidungen einen ganz anderen Effekt als gedacht haben, so dass am Ende doch eher ein Zufallsprodukt rauskommt. Das ist ja auch das, was Kollege Pé ein wenig in den Raum stellt: wir denken, dass wir alles im Griff haben, aber eigentlich passiert mehr mit uns als dass wir es direkt steuern würden.
Völlig richtig, es können stets aus bewußten Entscheidungen zufällige Ergebnisse entstehen. Allerdings deswegen auf solche Entscheidungen zu verzichten wäre - aus meiner Sicht - nicht der richtige Weg. Etwas aktiv anzugehen bedeutet doch wenigstens den Versuch unternommen zu haben - und wenn dann die Verhältnisse ungünstig sind muß man es als 'höhere Gewalt' hinnehmen. Immerhin hat man so eine Chance die man anderweitig versäumen würde.
Nimmt man das Beispiel des reinen Zufalls oben und überträgt es, so würde das bedeuten ein paar Nägel zu ziehen und die Möglichkeiten ein wenig enger zu fassen: Je mehr 'Nägel' gezogen werden, desto gezielter wird das gewünschte Ergebnis erreicht.
Natürlich wählen wir bewußt, schon alleine weil wir bei der Wahl meinen wirklich was bestimmen zu können. Deshalb ist die Wahlbeteiligung in Deutschland ja auch noch nicht auf 0 Stimmen runtergegangen :-)
Ach, wenn es um "Wahlen" geht, da gehe ich hin um den 'etablierten' keine Stimme zu schenken und wähle immer die Partei, auf die die CDU am meisten schimpft ;c)