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Es gab in der Vergangenheit sogenannte "gesellschaftliche Tabus", also private Sachverhalte in Sachen Sexualität, die nie in die Öffentlichkeit gezerrt wurden.
Das war auch gut so.
Wie ich auf das Thema komme?
Ich habe in meinen Links gelesen und bin auf einen Artikel von Rainer Wermelt gestoßen der mit "Ist Sadomasochismus salonfähig?" betitelt ist, Untertitel "Peitschensex und Fesselliebe", "Wissenschaftlerin forscht zu 'Shades of Grey'".
Ein Satz aus dem Artikel fiel mir ins Auge:
" .. und weniger als ein Drittel würde die Sexualpraktiken der Romane ausprobieren .. " - das sagt doch aus, dass es zwar Verständnis und Neugierde gibt, allerdings ein Nachahmungswille nicht sehr ausgeprägt ist.
Mein Patenonkel sagte zu sowas immer "Igitt, igitt wie schön!". Was für mich eine gewisse Attraktivität solcher Praktiken für viele Menschen bedeutet, gleichzeitig aber auch eine Unsicherheit ob das denn die Form der Liebe ist die sie akzeptieren könnten.
Die Rezension von Herrn Wermelt ist außerordentlich sachlich geschrieben - und mir fehlt eine persönliche Stellungnahme zum Thema. Ein Blog ist schließlich ein Medium das Diskussion zu Meinung, Stimmung und gesellschaftlicher Strömung zuläßt und geradezu herausfordert.
Deswegen hier meine Auffassung zum Thema:
Ich finde es abartig wenn ein natürliches Bedürfnis wie Sexualität nur dann zu Befriedigung führt wenn es mit Schmerz oder psychischer Aberration* verbunden wird. Teil der Sexualität ist zwar Aggressivität, d.h. das Eindringen in die Intime Zone [Individualdistanz] eines anderen Menschen, aber gleichzeitig gewollt und zugelassen von den Betroffenen.
Wenn die Aggression Überhand gewinnt ist nicht nur der biologische Zweck von Sexualität, sondern auch der einer sexuellen Vereinigung innewohnende Gedanke der seelisch-körperlichen Verbindung verfehlt.
Anders ausgedrückt:
"Sexuelle Praktiken" sind mit "Liebe" unvereinbar.
Ich muss Dir widersprechen, Wolfgang. Es ist nicht abartig, wenn ein natürliches Bedürfnis wie Sexualität nur dann zu Befriedigung führt, wenn es mit Schmerz verbunden ist (zur leichten psychischen Störung kann ich mangels Ahnung nichts sagen). Es ist andersartig, aber nicht abartig. Schmerz kann bei manchen Menschen durchaus sexuelle Lust hervorrufen und SM ist eine Konvention zwischen den Leuten, die das praktizieren.
Diese Art der Sexualität ist genau so natürlich wie Blümchensex oder der Quickie zwischendurch. SM ist nichts womit Du und ich etwas anfangen können, aber so geht es den SM-Menschen vielleicht auch mit unserem Blümchensex.
Auch das Argument mit der Aggressivität hinkt, denn SM ist mitnichten aggressiv, sondern ein sehr fein ausgehandeltes und ordentlich abgesprochenes Spiel. Es sieht für aussenstehende Beobachter eventuell nur aggressiv aus.
Mein Fazit ist das alte deutsche Sprichwort: "Jedem Tierchen sein Pläsierchen." So lange die Sexualität, jedenfalls der praktische Teil davon, Privatsache bleibt, ist für mich alles in Ordnung. Wenn es die Menschen glücklich und ausgeglichen macht, wenn niemand gegen seinen Willen zu sexuellen Praktiken gezwungen wird und keine Unbeteiligten, bspw. durch lautes Gestöhne, gestört werden, dann sollen die Leute so poppen, wie es ihnen beliebt. Wegen mir auch und bis es weh tut. Es sind ja nicht meine Schmerzen. ;o)
Gerade bei sexuellen Angelegenheiten sollte man aufpassen, dass man den Praktiken und Fetischen, die man nicht versteht oder nachvollziehen kann, nicht die Legitimität abspricht. Was dabei herauskommt ist Sexualmoral, eines der meist gebrauchten Herrschaftsinstrumente des modernen Menschen.
Unsere sexuelle Freiheit ist die größte, schönste und wichtigste Freiheit, die wir besitzen. Lass sie also zu, lieber Wolfgang, vor allem auch bei den Anderen.
Hallo Olaf,
natürlich ist es nicht meine Aufgabe jemandem seine Art der sexuellen Erfüllung zu verwehren - das will ich auch garnicht. Sollte es so im Artikel oben anklingen, so ist der Eindruck falsch.
Wogegen ich argumentiere ist eine Normabweichung zum Normalfall zu erklären und dadurch aufzuwerten, dass sie als 'allgemein anerkannt' dargestellt wird.
Ich bleibe aber dabei dem SM-Sex ein 'label' zu geben und es damit als "Unnatürlich" zu bezeichnen, weil es zwar eine gewisse Bandbreite natürlicher Sexualität gibt, aber alle Varianten, die "Handwerkszeug" und "Praktiken" benötigen biologisch nicht angelegt sind.
Nenn' mich einen Puristen, das ist OK.
Ein Kämpfer gegen sexuelle Freiheit bin ich dagegen NICHT.
Nach diversen Kommentaren, die ich zu "Shades of Grey" gelesen habe, hat weder das Buch noch der Film irgendetwas mit dem zu tun, was man in der SM- und Bondage-Szene betreibt. "Shades of Grey" ist ein schlechter Arzt-Roman ohne Arzt, dafür voll mit Bekloppten. Und neu ist das ganze Thema auch nicht, ich sage nur "Geschichte der O" und "Belle de Jour".
Von daher: ganz ruhig durchatmen, das Abendland ist mal wieder nicht dabei unterzugehen.