Wer hier liest und kommentiert ist weit entfernt von dem Gedankengebäude - wenn man es als solches bezeichnen kann - das in den Köpfen der AfD-Wähler des Ostens zurecht gezimmert ist. Aus Diskussionen mit Anhängern der AfD weiß ich, nein, habe ich eine vage Vorstellung wie dieses Gebäude aussieht.
Ausgefilterte Argumente die zum "Leiden" des Ostens gehören:
Zuerst die (nicht zu leugnenden, immer noch nicht aufgearbeiteten) Untaten der Treuhand ¹, deren ungenannte Aufgabe es war Ostfirmen, die eine Konkurrenz für etablierte Westfirmen hätten werden können, *abzuwickeln*. Dann die gebrochenen Versprechen der etablierten Parteien, die allzu zögerliche Anpassung der Lebens- und Verdienstumstände, das Großmannsgehabe der eingewanderten West-Firmen, die stets durchblicken lassen, wie großzügig es doch von ihnen sei sich dort niederzulassen und für Arbeit zu sorgen ... und so weiter.
Wer im Osten der Wendezeit pfiffig war ist abgewandert. Fachkräfte und vor allem jüngere Frauen. Den dort Gebliebenen fehlen (weitgehend) die Fertigkeiten sich zu orientieren, ihr Leben aktiv zu gestalten. Denn das war etwas, was ihnen der DDR-Staat abgenommen hat, der sie an der Hand führte und versorgte und dafür nichts anderes verlangte, als das sie das Maul hielten und der Partei keine Probleme machten.
Das sind nun die Parteigänger / Wähler der AfD. Die als Rattenfänger auftritt und Wohltaten verspricht, wohl wissend, dass die Masse der Menschen dort nicht ihr Parteiprogramm lesen wird. Sondern das glaubt, was mündlich oder per Medien transportiert wird. Geschickt nutzt man das Misstrauen gegenüber den etablierten Parteien, den Wessis aus, die viel versprochen haben - aber nicht lieferten, oder wenn, sehr zögerlich und immer nur Bruchteile dessen, was versprochen war.
Im Osten, der früheren DDR, blieben die "Fremden" ("Gastarbeiter") immer nur für bestimmte Zeit. Sie hatten eine feste Zahl von Jahren oder Monaten, dann mussten sie wieder ab nach Hause. Der Kontakt zur Bevölkerung hielt sich in engen Grenzen. Das ist es, was das *fremdeln* der ehemaligen DDRler gegenüber andersfarbigen Menschen ausmacht. Die "Fremden" bleiben - und das macht Angst.
Während wir seit der ersten Gastarbeiterwelle aus Griechenland, Spanien und Italien an dergleichen bunten Bevölkerungszuwachs gewöhnt wurden. Erst mit der unstrukturierten Einwanderung türkischer Menschen aus Gebieten, die sich kulturell extrem von unserer Gesellschaft unterschieden, haben wir hier eine ähnliche Ablehnungswelle gehabt. Die zwar nicht komplett überwunden ist, sich aber zu einem Teil durch die Assimilation von ganzen Generationen entschärfte.
Einmal abgesehen von den fundamentalistisch-extremistisch denkenden Nationaltürken, die hierzulande ohne viel Leistung zu zeigen, und ohne sich anpassen zu wollen, den guten Ruf ihrer Landsleute, die hier ihre Heimat gefunden haben, durch ihr rotziges, aufgeblasenes Gehabe verderben. Gleichzeitig aber alle Wohltaten des deutschen Staates in Anspruch nehmen und oft neben staatlicher Unterstützung noch unangemeldeten Beschäftigungen nachgehen, die ihnen Lohn als Sachleistungen zur Verfügung stellen. Aber ich schweife ab ....
Das fehlt im Osten (fast) völlig ² - und zusammen mit gebremster intellektueller Kapazität der dort verbliebenen Bevölkerung ist ein gefährliches Gemisch aus Angst, enttäuschter Hoffnung und Fatalismus entstanden, das den Nährboden für Faschisten darstellt.
Habe ich eine Idee wie man das Dilemma löst?
Ja, indem man Hoffnung erfüllt.
Wird das wahr werden?
Nein, denn die regierenden Parteien werden weiter - im Sinne des Kapitals - dessen Interessen vor die der Ostbevölkerung stellen. So wie bei uns auch, nachdem zuletzt die Regierungen Schröder die Arbeiterschaft verraten haben, die Gewerkschaften zerschlugen und sich zu Knechten des Kapitals machten.
Was wir erkennen müssen:
Die Tatsache, dass wir keine Demokratie mehr sind. Die Parteienstruktur, deren Establishment, verhindert demokratische Entscheidungsfindung und deckt diese Tatsache mit dem Begriff "repräsentative Demokratie" zu.
Was wir verstehen sollten ist:
Wir sitzen mit dem Osten im gleichen Boot. Unser einziger Vorteil ist, dass wir in den ersten Jahren der Bundesrepublik noch Chancen und Freiheiten hatten, die im Osten fehlten. Wir deswegen mehr *Spielraum*, ein besseres Selbstbewusstsein haben. Gerade genug, um nicht den Mächtigen als Gefahr zu erscheinen. Wer genau hinschaut erkennt die Mechanismen wie mittlerweile subtil dafür gesorgt wird die Schrauben enger anzuziehen:
Überwachungsmaßnahmen und mehr Rechte für staatliche Stellen, Eingriffe in die Privatsphäre, Schleifung von bisher grundgesetzlich garantierten Rechten durch 'Notverordnungen' oder mit dem Argument der 'Terrorbekämpfung', Restriktionen bei der Meinungsäußerung, und weitgehend gleichgeschalteter Informationszugang durch weltweit operierende Medienkonzerne.
Was "Vorgehen gegen Meinungsmache" bedeutet kann man in totalitären Regimen sehen. Deswegen ist nicht die AfD (#niemalsafd) die größte Gefahr in unserem Land, sondern es sind die Politiker vom Schlage Seehofer, Herrmann, Schäuble, Strobl, und so weiter ... die im Schafspelz daher kommen und Kreide fressen um von ihren wahren Absichten anzulenken.
¹ ".. Die DDR wurde zweimal verscherbelt
Einmal von Michail Gorbatschow 1990 für 18 Milliarden Deutsche Mark; Helmut Kohl zahlte den völlig überhöhten Preis locker mit Steuergeldern. Zum zweiten Mal wurde die DDR durch die Treuhandanstalt von Birgit Breuel verkauft.
Die Treuhand nahm kümmerliche 34 Milliarden Deutsche Mark für die gesamten volkseigenen Betriebe ein und machte 245 Milliarden Deutsche Mark Verlust, weil sie die volkseigenen Betriebe quasi an die westdeutche Industrie verschenkten .." [Die Untaten Helmut Kohls]
² ".. In Ostdeutschland ist der Kontakt zu Musliminnen und Muslimen in den Bereichen Familie, Freundes- bzw. Bekanntenkreis, Arbeits- bzw. Ausbildungsplatz sowie Nachbarschaft eher schwach ausgeprägt. So geben Befragte mehrheitlich – bei graduellen Unterschieden zwischen den Bundesländern – an, nie Kontakt zu Musliminnen und Muslimen in den betrachteten Bereichen zu haben. Dabei unterscheiden sich die einzelnen ostdeutschen Bundesländer nicht nennenswert voneinander. Im Durchschnitt - über alle Kontakträume hinweg - geben ungefähr 70 Prozent der Bürgerinnen und Bürger an, keinen Kontakt zu Musliminnen und Muslimen zu haben. In Westdeutschland liegt der entsprechende Anteil bei ungefähr 40 Prozent .."
[Ostdeutschland postmigrantisch Einstellungen der Bevölkerung Ostdeutschlands zu Musliminnen und Muslimen in Deutschland; S.39]

Weitere Quellen:
- Sündenbock Treuhand
- Totengräber der ostdeutschen Wirtschaft? Die Treuhandanstalt und die Folgen ihrer Politik.
- Wie viel Millionen sind es wirklich?
- Religionszugehörigkeit der Deutschen nach Bundesländern im Jahr 2011
- Anzahl der Muslime in Deutschland nach Glaubensrichtung (Stand variiert von 2005 bis 2017*; in 1.000)
- Wer gehört zu Deutschland? Ostdeutsche und Muslime teilen nicht nur Ausgrenzungserfahrungen – sondern auch Klischees, die Westdeutsche von ihnen haben.
PS
Meine Ausführungen basieren auf dem, was ich in den Jahren '90-'94 durch längere Aufenthalte als Unterrichtender in der Erwachsenenbildung in Thüringen in Gesprächen erfahren, gesehen & gehört habe. In den Folgejahren war ich - mit Ausnahme der Zeit in USA von '99-'02 - immer wieder einmal in den östlichen Bundesländern. Meine Erfahrungen sind also persönlicher Natur und stellen keinen allgemeingültigen Sachstand dar.